125 Jahre Metallfadenlampe
Osmium als Lichtspender – 125 Jahre Metallfadenlampe
Von Günther Luxbacher
1898 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des seltenen Metalls Osmium. Während bis dahin kaum Industriellen Anwendungen für das Metall vorhanden waren, brach in diesem Jahr ein fantastischer Nachfrageboom aus. Denn der Chemiker Auer von Welsbach hatte sich das Konzept für die erste moderne Glühlampe patentieren lassen: die Osmiumlampe!
Im genannten Jahr 1804 entdeckte der englische Naturwissenschaftler und Geschäftsmann Smithson Tennant in seinem großzügig eingerichteten Privatlabor in London zwei seltene Elemente: Iridium und Osmium. Er konnte diese beiden Stoffe aus Platin extrahieren, ein Material, das er und sein Firmenteilhaber William Hyde Wollaston in großen Mengen eingekauft hatten. Aus Platin stellten sie chemische Apparate her, die sich mit großem Gewinn verkaufen ließen. Gleichzeitig nutzen sie aber ihr Geschäft auch dafür, Platin intensiv zu analysieren. So schlugen sie zwei Fliegen, Wissenschaft und Geschäft, mit einer Klappe.
Allerdings fanden sie damals kaum gewerbliche Verwendungen für die neuen, bald als Platinnebenmetalle bezeichneten Elemente. Es dauerte Jahre, bis sich einige wirtschaftlich nennenswerte Nischen auftaten. Die wichtigste lag auf dem Gebiet der Schreibwaren. Die Textverfasser des 18. Jahrhunderts setzten noch Gänsekielfedern, Rötel- oder Bleistifte auf das – damals noch aus Hadern bestehende und handgeschöpfte – Papier. Obwohl seit Mitte des 18. Jahrhunderts die stählerne Schreibfeder bekannt war, fand diese doch erst seit dem frühen 19. Jahrhundert in England verbreitete Verwendung. Da diese allerdings aufgrund chemischer (Tinten) und physischer Belastungen (Druck, Biegung, Reibung) keine besonders lange Lebensdauer aufwiesen, gingen findige Köpfe dazu über, an die Federspitzen Osmiumsplitter zu montieren. Denn es war damals bereits bekannt, dass Osmium aufgrund seiner hohen Dichte sowohl chemisch als auch physisch ausgesprochen widerstandsfähig und haltbar war.
Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts fanden sich für Osmium, sowie für die bald vier weiteren Platinbeimetalle nur Nischenanwendungen. Dies blieb so bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts als die damals massiv expandierende elektrische Beleuchtungstechnik Osmium plötzlich in die erste Reihe der technisch wichtigen Metalle katapultierte.
1879 war es Thomas Alva Edison und dem großen Team in dessen professionellen Erfinderlabor gelungen, eine brauchbare elektrische Inkandeszenzlampe („Glühlampe“) zu entwickeln. Zwar hatte bereits der deutsche Uhrmacher und 1848er-Flüchtling Heinrich Goebel in New York eine gerichtsfest nachweislich von ihm selbst gebastelte Lampe vorgestellt. Doch angesichts des damals noch nicht vorhandenen Stromverteilungssystems musste er sich mit der bescheidenen Elektrizitätsquelle eines galvanischen Elements begnügen. Goebels Erfindung versank deshalb für einige Jahrzehnte in der Versenkung, aus welcher sie der Gestalter eines Stromversorgungs-Gesamtkonzeptes („system builder“) Edison erfolgreich wieder hervorholte.
Heutige Augen nehmen die damaligen Glühlampen als orange glimmende Funzeln wahr, die kaum mit dem Licht einer Petroleumlampe mithalten konnten. Denn Edison verwendete verkohlte Bambusfäden, deren Herstellung und Montage er technisch gerade noch bewältigen konnte. Zwar suchten Physiker und Chemiker weltweit nach einem weißglühenden Metall, das zu sehr feinen Fäden verarbeitbar war. Platin wurde zwar als geeignet erkannt, war aber zu teuer und so schwierig zu bearbeiten, dass man vorerst beim Kohlefaden blieb. Allerdings verwendete die Glühlampenindustrie ab den 1890er Verfahren ein Verfahren nach dem britischen Chemiker Joseph Swan. Dieser nutzte statt einem feinen verkohlten Bambusfaden einen Faden, der aus durch feine Düsen gespritzte und daher sehr regelmäßiger Zellulosemasse bestand. Diese wurde anschließend schonend verkohlt. Damit waren wenigstens die störenden Unregelmäßigkeiten des natürlich gewachsenen Bambus vermieden, die zu häufigen Fadenbrüchen geführt hatten. Auf dieses Konzept des gespritzten Fadens setzte der Erfinder der Osmiumlampe dann auch auf. Und dieser Erfinder kam ausgerechnet aus der mit der elektrischen Beleuchtung konkurrierenden und den Markt noch dominierenden Gasbeleuchtung!
Der Wiener Chemiker Carl Auer von Welsbach forschte an den Elementen der Seltenen Erden und anderen im Periodensystem benachbarten Elementen, da er von deren Potential als Lichtspender fest überzeugt war. 1885 entstand in seinem Wiener Labor der Gasglühstrumpf als innovatives Beleuchtungskonzept des späten 19. Jahrhunderts. Der Gasglühstrumpf, ein gestricktes textiles Häubchen, das mit den Metallen seltener Erden getränkt wurde, steigerte während seines Glüh- und Veraschungsprozesses die Lichtausbeute der bisherigen Gasbeleuchtungen deutlich.
Der ebenso wie Tennant außerordentlich geschäftstüchtige Auer verband sich mit der Deutschen Gasglühlichtgesellschaft, die mit dem Auer-Glühstrumpf weltweit Riesenumsätze machte. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden weltweit etwa 300 Mio. Gasglühstrümpfe jährlich produziert und noch um 1930 wurde etwa 70% der Straßen und etwa die Hälfte aller Berliner Haushalte mit Gasglühstrümpfen beleuchtet.
Der dadurch zu großem Reichtum gekommene Auer forschte in seinem Privatlabor weiter an exotischen Metallen zur Lichtgenerierung und erkannte, dass die elektrische Beleuchtung vielleicht doch eine größere Zukunft besaß als das Gaslicht. Er beschloss daher, all seine Energie in die Entwicklung einer heller leuchtenden elektrischen Glühlampe zu investieren, die ohne Zweifel aus einem Metallfaden bestehen musste.
Da es im 19. Jahrhundert aber noch keine exakt arbeitenden Thermoelemente gab, war nicht ganz sicher, welches Metall im Periodensystem den höchsten Schmelzpunkt aufwies und daher den hellsten Lichtstrahl abgeben konnte. Die gängigen chemischen Handbücher hatten sich jedoch auf Osmium als das Metall mit dem höchsten Schmelzpunkt festgelegt, weshalb sich Auer auf dieses Element konzentrierte. Leider aber war Osmium mit den damaligen Methoden nicht bearbeitbar, gerade weil es über einen so hohen Schmelzpunkt verfügte und obendrein auch noch extrem spröde war. Beim Hämmern und Biegen zerbrach es sofort. Die alles entscheidende Frage bestand in einer Antwort darauf, wie dieses Metall doch für Beleuchtungszwecke nutzbar gemacht werden konnte. Auer fand dafür einen raffinierten Weg und mit diesem auch gleich die Basis der heutigen Sintermetallurgie.
Auer setzte auf das Zellulosespritzverfahren von Swan auf und mischte in seinem Wiener Labor unter die Zellstoffmasse eine geringe Menge fein zerriebenen Osmiumpulvers. Dadurch umging er dessen mechanische Bearbeitung. Dieses „Pasteverfahren“ ließ er sich 1898, vor 125 Jahren, patentieren. Danach spritzte er diese präparierte Masse durch feine Hole zu Fäden, die er verkohlte. Der mit feinsten Osmiumpartikeln versehene Kohlefaden wurde dann zwischen zwei Elektroden montiert, die Glasglocke evakuiert und dann der Strom eingeschaltet. Aufgrund der dadurch rasch steigenden Fadentemperatur fritteten die Osmiumpartikel in der Zellulosemasse zusammen und der Metallfaden wurde weißglühend leitend.
Die Quellen legen jedoch nahe, dass Auer nach diesem genialen technischen Schachzug einen wirtschaftlichen Fehler beging. Denn er ließ sein später „Osmiumlampe“, „Auer-Lampe“ und „Auer-Os-Lampe“ genanntes Produkt wieder von der Deutschen Gasglühlichtgesellschaft (DGA) herstellen und vermarkten. Diese Gesellschaft war zwar Marktführer bei der Glühstrumpfherstellung, hatte aber von der Herstellung elektrischer Glühlampen keine Ahnung. Siemens, AEG oder auch das junge niederländische Unternehmen Philips besaßen auf diesem Gebiet hingegen über zwanzig Jahre Werkstatterfahrung. Sie kannten alle Tricks und Kniffe bei der Herstellung des Kohlespritzfadens, dessen millimetergenaue Montage, das Kitten und Klemmen, die Probleme bei der Durchführung der Elektroden durch Glas, beim raschen Evakuieren usw. usf. Die DGA unterschätzte dieses damalige Hi-Tech-Wissen in der Produktion und benötigte Jahre, um es – etwa durch Abwerbungen von Experten – zu erwerben. Das sollte sich rächen.
Als weiteres Problem kam hinzu, dass der damals bekannte weltweite Vorrat an Osmium hundert bis wenige hunderte Kilogramm betrug. Auer und die DGA hatten sich immerhin an die 100 Kilogramm des seltensten Metalls gesichert. Die Konkurrenz streute aber Gerüchte, wonach zu wenig Osmium vorhanden sei, um den Weltbedarf an Metallfadenlampen befriedigen zu können. Neben den Produktionsproblemen trug dies zusätzlich zum schwankenden Kurs der DGA-Aktien bei.
Trotz all dieser Schattenseiten waren alle beim Anblick der neuen Lichtquelle begeistert. Sie blendete nicht wie die großen Außenbeleuchtungen der elektrischen Lichtbogenlampen, welche die nächtliche Plätze und Boulevards erhellten. Und dennoch lieferte sie helleres, rein weisses und auch besseres Licht als die bisherigen Kerzen, Petroleumlampen, Kohlefadenlampen oder Gasglühstrümpfe. Diese erschienen plötzlich funzelig und die breite Öffentlichkeit konnte nun wahrnehmen, wie stark deren Farbspektren ins Rötliche und Grünliche tendierten. Damen der besseren Gesellschaft sorgten sich etwa unter Gaslicht plötzlich um ihren Teint. Hinzu kam, dass die neue Glühlampe als Pixel für großflächig gerasterte Felder auf Hausfassaden eingesetzt wurde, auf denen kleine Trickfilm-Sequenzen liefen, die für Gewürzgurken, Bier oder Nachtclubs warben. Der New Yorker Broadway wirkte um 1910 stellenweise wie eine Vorstudie zu den Kulissen im Science-Fiction-Filmklassiker „Blade Runner“. Sogar in Berlin kletterten nun – auch in nüchternem Zustand – Salamander und Sektbläschen nächtliche Hauswände hoch.
Leider bekam die DGA ihre Massenproduktionsprobleme erst um 1903/04 in den Griff. Sie blickte auf weitgehend verlorene fünf, sechs Jahre zurück. Und zu allem Überfluss stellte sich heraus, dass es keine zweite Chance geben sollte. Nicht weil Osmium knapp war, sondern weil die Temperaturmesstechnik, die Chemie, Sinter- und Metallbearbeitungstechnik riesige Fortschritte machten. Bald war klar, dass nicht Osmium, sondern Wolfram das höchstschmelzende Metall darstellte. Unter der den bisherigen Irrtum verwischenden Bezeichnung „Osram“-Lampe (einer Wortzusammenziehung von Osmium und Wolfram) brachte die DGA schließlich eine Wolframfadenlampe auf den Markt, in welcher anstelle von Osmiumpulver Wolframpulver eingesetzt wurde. Allerdings hatten die Forschungsabteilungen der traditionellen Glühlampenhersteller in den USA und in Europa auch nicht geschlafen und versucht, die spröden Metalle duktil, also durch ein Hol ziehbar zu machen. Bei Siemens erschien 1906 die erste MetallDRAHTlampe, wenn auch nur mit dem mittelmäßig dafür geeigneten Metall Tantal. 1911 brachte ein Konsortium von General Electric und europäischen Herstellern schließlich die WolframDRAHTlampe auf den Markt. Dem Forschungslaboratorium von General Electric war es schließlich doch gelungen, das wie Osmium spröde Wolfram duktil zu machen. Das bedeutete das endgültige Aus für die weniger leistungsfähigen Osmium- und Wolframfadenlampen.
Daher blieb die DGA in ihrem Hauptquartier in der heutigen Oberbaum-City in Berlin-Friedrichshain auf einer Palette mit Gefässen, die randvoll mit Osmiumpulver gefüllt waren, sitzen. Statt zuwenig hatte sie nun zuviel davon und suchte verzweifelt einen Abnehmer. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte sich das Unternehmen in die große Unternehmensfusion namens Osram GmbH KG retten. Die beiden ersten Buchstaben des seltensten Metalls der Welt blieben dadurch wenigstens im berühmten Firmennamen bis heute erhalten.
Bildnachweis: https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Auer_von_Welsbach, www.streetlight-hamburg.de/zeittafel_13.htm
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